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Mich wieder mit klarem Kopf auf die Partnerschaft konzentrieren zu können, das war das größte Geschenk.

Psychische Gesundheit und innerer Frieden

Von: Andreas Noch | 06.10.2016

Ein Beispiel, was wir selber dafür tun können

Für mich ist psychische Gesundheit eng verknüpft mit der Fähigkeit, immer wieder zum eigenen inneren Frieden zurückkehren zu können, wenn wir diesen einmal verloren haben, wenn uns etwas aus unserem inneren Gleichgewicht gebracht hat. Das kann beispielsweise in einer ganz alltäglichen Begegnung mit unserer Partnerin/unserem Partner, einer Nachbarin oder einem Vorgesetzten geschehen, aber auch beim simplen Lesen eines Zeitungsartikels. Jemand tut oder sagt etwas, und plötzlich bemerken wir in uns eine deutliche Traurigkeit oder Wutgefühle, vielleicht fühlen wir uns auch gekränkt oder verletzt oder missachtet oder angegriffen oder alles Mögliche andere.

An dieser Stelle haben wir nun die Wahl, ob wir die Verantwortung für unsere Reaktion dem anderen Menschen zuschreiben und denken oder sagen: „Du machst mich wütend/traurig usw., du musst Dich ändern, damit es mir wieder besser geht.“ Oder wir können unsere Reaktion auf die Erfahrung im Außen als zu uns gehörig, als unsere eigene und aus uns heraus entstandene erkennen und wahrnehmen, dass die äußere Erfahrung nur Auslöser war für unsere Reaktion.

Im ersten Fall richten wir uns möglicherweise innerlich etwas daran auf, dass wir über den anderen Menschen wütend sind oder ihn abwerten, wir geben aber die Macht über die mögliche Veränderung der Situation an den anderen Menschen ab. Indem wir ihn für verantwortlich erklären, definieren wir uns selbst als passiv hinnehmend, quasi ohnmächtig. Damit machen wir unsere Stabilität und unser Befinden von einem anderen Menschen abhängig. Dies wird in den allerwenigsten Fällen zu einer Auflösung des Grundproblems führen. Es ist vielmehr zu erwarten, dass das nächste ähnliche Verhalten eines anderen Menschen bei uns erneut dieselbe Reaktion hervorrufen wird.

Im zweiten Falle sind wir in der Lage, unseren Mitmenschen gleichsam als Spiegel für uns selbst zu begreifen, der uns in diesem Moment etwas in uns zeigt, was wir möglicherweise viel lieber nicht gesehen hätten. Wenn wir unsere Reaktion jedoch annehmen und uns fragen, was hat sie denn mit uns zu tun, dann eröffnet sich uns beispielsweise die Möglichkeit, eine verdrängte Facette unserer eigenen Persönlichkeit zu erkennen und liebevoll annehmen zu können, welche wir bisher vielleicht abgelehnt haben. Oder wir erhalten Zugang zu verdrängten Gefühlen aus einer früheren Lebenssituation, die nun ihren notwendigen Ausdruck finden können und, bildlich gesprochen, nicht mehr länger als Ziegelstein in unserem Lebensrucksack mit herumgetragen werden müssen. Solche Prozesse sind gemeint, wenn die Tiefenpsychologie von der Projektion eigener Anteile auf andere Menschen spricht, oder wenn es heißt: „Die Welt ist dein Spiegel“ oder auch „Du kannst in anderen Menschen nur dir selbst begegnen“.

Nur wenn wir dies erkennen und danach handeln, haben wir die Möglichkeit, wieder in unser psychisches Gleichgewicht zu kommen, ein Stück zu unserem inneren Frieden zurückzufinden und damit zu unserer psychischen Gesundheit beizutragen.

Autor:

Mitarbeiter ohne Foto

Andreas Noch

Oberarzt
Facharzt für Psychotherapeutische Medizin
Zertifizierter systemischer Therapeut


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